Hundermal war ich schon in Wien. Dieses Mal habe ich mich entschieden, an einer Führung teilzunehmen. Die „Wiener Spaziergänge“ bieten ein buntes Angebot. Ich habe mich für einen Rundgang im Zentrum entschieden, damit ich im Anschluss noch in die Albertina gehen kann. Ich erhoffe mir einen „anderen“ Blick auf die Innenstadt.
Führung
Bereits am Treffpunkt, dem Albertinaplatz, versteckt sich das erste Geheimnis. Im Jahre 1882 veranstaltete der Wiener Bankier Wilhelm Zierer einen Wettbewerb für sein zukünftiges Zins- und Geschäftshaus, das später wegen seinem neuen Besitzer Philipp Ritter von Haas als Philipp-Hof bekannt wurde.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Keller als Luftschutzkeller genutzt. Am 12. März 1945 wurde das Gebäude von mindestens fünf Bomben getroffen, der darauffolgende Brand zerstörte das Gebäude vollkommen. Die Folge war die bis heute höchste Zahl von zivilen Todesopfern in einem einzigen Objekt in Wien. Allein im Luftschutzkeller, in dem schätzungsweise 280 Personen Zuflucht gesucht hatten, kamen die meisten von ihnen ums Leben. Das Haus wurde so stark zerstört, dass nur circa 180 Tote geborgen werden konnten.
1983 wurde beschlossen das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus des Bildhauers Alfred Hrdlicka auf dem Platz des Philipp-Hofes zu errichten, um den Opfern des Zweiten Weltkrieges und allen anderen Opfern von Krieg und Faschismus zu gedenken.
Unser erstes Ziel ist der Neue Markt (auch: Mehlmarkt), einer der ältesten Plätze Wiens. Hier liegt die Kapuzinergruft. Seit knapp 400 Jahren werden alle habsburgischen Herrscher und deren nächsten Angehörigen in der Krypta unterhalb der Kapuzinerkirche in Wien bestattet. Während Eingeweide und Herz im Stephansdom bzw. der Augustinerkirche ruhen,sind die prunkvoll verzierten Särge hier zu finden.
Vorbei am Café Frauenhuber in der Himmelpfortgasse, dem ältesten Kaffeehaus Wiens. Am 28. Oktober 1824 eröffnete Alois Hänisch hier sein Café.
Danach biegen wir ab in Gässchen und begrünte Oasen – ein unerwarteter Kontrast zum allgegenwärtigen Gewusel in der Innenstadt. In den Bürgerhäusern des 18. Jahrhunderts lag hinter den prunkvollen Fassaden meist ein schlichter Innenhof. Die Mieter trafen einander, tratschten (was auch manchmal zu Streitereien führte) und hängten ihre Wäsche auf.
Der Begriff Pawlatsche leitet sich vom tschechischen Wort pavlac ab und steht für schmale, enge, offene (Holz-)gänge, die die einzelnen Wohnungen verbinden und über Außentreppen erreicht werden können.
Auch die Durchhäuser sind eine Wiener Rarität. Sie dienten in der Regel als Abkürzung zwischen zwei parallel verlaufenden Straßen. Heute öffnet sich dahinter meist ein Innenhof, in dem Geschäftslokale und Gaststätten untergebracht sind.
Die Singerstraße 22 beherbergte unter anderem den Dompfarrer zu Sankt Stephan. Offene Pawlatschengänge hat auch das Barockpalais Neupauer-Breuner nebenan auf Hausnummer 16 zu bieten. Wir gehen weiter zum Deutschordenshaus. Die einstige Niederlassung der Ritter vom Deutschen Orden aus dem13. Jahrhundert umfasst zwei beeindruckende Innenhöfe. In einer der Wohnungen lebte kurze Zeit Wolfgang Amadeus Mozart, später wohnte hier auch Johannes Brahms.
Unser Weg führt über ein verwinkeltes Auf- und Ab zwischen den Häusern und Stiegen. Das typische Pawlatschenhaus aus dem 17. Jahrhundert in der Blutgasse 3 besitzt einen Innenhof mitoffenen Gängen. Die Häuser zwischen Singerstraße, Blutgasse, Grünangergasse und Domgasse gehören zu den ältesten von Wien. Ihre Fundamente reichen ins 12. Jahrhundert zurück, die darauf errichteten Gebäude stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert.
Das Haus ist durch einen schmalen Treppenabgang mit dem Fähnrichhof verbunden. Einer Sage zufolge soll einst der Orden der Tempelritter hier sein Hauptquartier bezogen haben. Der Platz im Hof ist von einer prächtigen Platane überschattet. In diesem Baum blitzen angeblich immer wieder die Schwerter der im 14. Jahrhundert vertriebenen Templerritter auf.
Auch das ehemalige Palais Nimptsch in der Bäckerstraße überrascht mit einem typischen Pawlatschenhof.
Schön ist auch der Heiligenkreuzerhof, seit Anfang des 13. Jahrhunderts dem Zisterzienserstift Heiligenkreuz gehört. Mit seinen sechsteiligen Fenstern und einfachen Fassaden war der 800 Jahre alte Innenhof Wohnung für unzählige Zisterziensermönche und lokale Prominente.
Die Jesuiten waren schon über siebzig Jahre in Wien, als 1623 ihr Kolleg mit der Universität vereinigt wurde. Sie übernahmen Lehrstühle der humanistischen, philosophischen und theologischen Disziplinen. Damit begann auch eine rege Bautätigkeit rund um das Gelände der Alten Universität. Einen Flügel dieses Vierkanters nimmt die Jesuitenkirche ein, die 250 Jahre lang die Kirche der Wiener Universität blieb. Bis heute kennen sie die Wiener vor allem als Universitätskirche. Das Äußere ist eher nüchtern, die Ausstattung des Innenraums dagegen ist ein hochbarockes, goldenens Schauspiel.
Ein besonders hübsches und historisch interessantes Fleckchen der Wiener Innenstadt ist das Griechenviertel. Seinen Namen erhielt es durch griechische Händler, Kaufleute und Handwerker, die sich Ende des 16. Jahrhunderts in dieser Gegend anzusiedeln begannen. Bereits nach der Eroberung Konstantinopels war eine kleine griechische Gemeinde entstanden, die nun stetig wuchs. Am Fleischmarkt befindet sich die Griechenkirche zur heiligen Dreifaltigkeit. Diese besticht durch eine auffällig Fassade und ein prunkvolles Innenleben. Die Griechen waren nicht Untertanen der Habsburger, sondern gehörten dem Osmanischen Reich an, wodurch die Kirche erst in Folge des „Toleranzpatents“ 1781 von Kaiser Joseph II. errichtet werden konnte. Das Griechenbeisl, eine der ältesten Gaststätten Wiens, ist nach wie vor ein zentraler Treffpunkt.
Albertina
Die Albertina war das größte Wohnpalais der Habsburger. Marie Christine, die Lieblingstochter Maria Theresias wohnte hier mit ihrem Gemahl Albert von Sachsen-Teschen. Aus ihren Vornamen setzt sich der Name Albertina zusammen. Ursprünglich hatte aber nicht die Sammlung, sondern das Gebäude den höheren Stellenwert. Erst mit der Enteignung des letzten habsburgischen Besitzers änderte sich das . Für die Republik Österreich symbolisierte das Erscheinungsbild des Palais eindrücklich die Epoche der Donaumonarchie, die es zu beseitigen galt, während die Kunstsammlung keinen Bezug zur habsburgischen Vergangenheit besaß und damit erhaltenswert war.
Monet bis Picasso. Meisterwerke der Albertina
Ich folge dem Audioguide durch die Ausstellung. Die Daueraustellung zeigt eine der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen der klassischen Moderne aus dem Besitz von Rita und Herbert Batliner. Der erfolgreiche Anwalt aus Liechtenstein hatte erst in den 1960er Jahren begonnen Kunstwerke zu sammeln. Ausgelöst wurde das wachsende Interesse durch das Gemälde Der Schimmel ‚Gazelle’ von Henri Toulouse Lautrec, das er als Honorar für einen gewonnenen Prozess erhielt.
Der Titel der Ausstellung „Monet bis Picasso“ referenziert die chronologischen Eckpfeiler der Sammlung – die Seerosen von Claude Monet und das Spätwerk Picassos. Die Kunstwerke spannen einen weiten Bogen, vom französischen Impressionismus bis zur österreichischen Kunst der Gegenwart. Die Bilder zeigen aber auch den Expressionismus, Werke der Gruppe Der blaue Reiter oder Die Brücke, Kubismus und den Surrealismus.
Historische Prunkräume
Im Jahr 2000 wurden die historischen Prunkräume umfassend restauriert, das alte prachtvolle Erscheinungsbild wieder hergestellt und der Öffentlichkeit seit 1919 erstmals im vollem Umfang zugänglich gemacht. In den Prunkräumen der Albertina wurden die in den fünfziger Jahren übermalten Dekorationen freigelegt und die kostbaren Intarsienböden sichtbar gemacht. Die Stoffe für die Wandbespannungen wurden nach historischen Vorbildern neu gewebt. Damals wurde auch beschlossen, die prunkvollen Repräsentationsräume des Palais mit originalen Möbeln auszustatten.